Durch unsere politische Arbeit, welche auf der ganzen Welt – von Washington bis nach Peking – stattfindet, profitieren wir von einer Fülle politischer Erfahrungen. Diese versuchen wir nach unserem Motto „Von anderen lernen heißt besser werden“ in unsere Arbeit in Deutschland einfließen zu lassen. Unsere politischen Beschlüsse stellen wir Euch hier im Einzelnen vor.
Auf unserer digitalen Konferenz am 6. März 2021 haben wir die folgenden Beschlüsse gefasst.
Allgemeines und gleiches Wahlrecht für Deutsche im Ausland
Wir fordern, dass Deutsche im Ausland eine angemessene demokratische Repräsentation im Deutschen Bundestag durch die Durchsetzung des allgemeinen und gleichen Wahlrechts erfahren. Für eine angemessene demokratische Mitsprache im Deutschen Bundestag ist es notwendig, das allgemeine Wahlrecht (insb. § 2 und § 12 BWahlG) so anzupassen, dass Stimmen aus dem Ausland nicht nur in den 299 Wahlkreisen des Bundesgebiets untergehen, sondern der politische Wille der Deutschen im Ausland in geeigneter Form im Deutschen Bundestag abgebildet wird. Dies würde nicht nur die Interessen der Deutschen im Ausland wahren, sondern auch die demokratische Legitimation des Parlaments durch eine höhere Wahlbeteiligung stärken.
Die legislative Ausgestaltung eines allgemeinen und gleichen Wahlrechts für deutsche Staatsbürger:innen im Ausland fällt in die Zuständigkeit des Deutschen Bundestags. Wir lassen es offen, wie die das Auslandswahlrecht im Detail aussehen soll, wenn sichergestellt wird, dass die Präferenzen der Deutschen im Ausland im Wahlrecht widergespiegelt werden und das Wahlgebiet geographisch erweitert wird.
Begründung:
Rund 4 Millionen Deutsche leben dauerhaft im Ausland und sind per Bundeswahlgesetz auch ohne gemeldeten Wohnsitz in Deutschland weiterhin zur Bundestagswahl wahlberechtigt, wenn sie sich bei der Gemeinde, bei der sie zuletzt gemeldet waren, auf Antrag in das Wählerverzeichnis eintragen lassen. Dazu ist gemäß §12 Abs 2 Nr. 1 & 2 BWahlG eine der folgenden Voraussetzungen zu erfüllen:
- Nach Vollendung ihres vierzehnten Lebensjahres müssen sie mindestens drei Monate ununterbrochen in der Bundesrepublik Deutschland eine Wohnung innegehabt oder sich sonst gewöhnlich aufgehalten haben und dieser Aufenthalt darf nicht länger als 25 Jahre zurückliegen.
- Aus anderen Gründen müssen sie persönlich und unmittelbar Vertrautheit mit den politischen Verhältnissen in der Bundesrepublik Deutschland erworben haben und von ihnen betroffen sein.
Diese Regelung stellt eine rechtliche Ungleichbehandlung zu Staatsbürger:innen im Inland dar, da vom Wahlrecht hier nur in einem eingeschränkten Rahmen Gebrauch gemacht werden kann. In der Vergangenheit hatte dies häufig zur Folge, dass im Ausland lebende Deutsche von der Teilnahme an der Bundestagswahl ausgeschlossen worden sind.
Bei der Bundestagswahl 2017 haben ca. 114.000 im Ausland lebende Deutsche gewählt, allerdings werden ihre Stimmen im Deutschen Bundestag durch die derzeitige Wahlpraxis nicht angemessen politisch repräsentiert. Da üblicherweise Abgeordnete (im Durchschnitt mit 66.000) mit weit weniger Stimmen in den Deutschen Bundestag gewählt werden, ist eine klare parlamentarische Repräsentation von Deutschen Wählern aus dem Ausland richtig. Hierzu gibt es mindestens drei verschiedene Möglichkeiten:
- Es werden Auslandswahlkreise geschaffen, welche eindeutigen geographischen Räumen zugeteilt werden. In Frankreich werden so zum Beispiel in 11 Auslandswahlkreisen, welche sich an der Anzahl der in der Region lebenden Franzosen orientieren, Abgeordnete in die Nationalversammlung gewählt. Häufig fokussieren sich diese Abgeordneten dann besonders auf internationale Angelegenheiten und setzen sich besonders für die bilateralen Beziehungen zwischen den entsprechenden Ländern und Frankreich ein.
- Es wird eine Listenwahl für das Ausland geschaffen, beider jeweils nur so viele Abgeordnete aus dem Ausland gewählt werden, wie die Zahl der tatsächlichen Auslandswähler geteilt durch die für eine Abgeordneten erforderliche Stimmenzahl ergibt. Dies hätte den Vorteil, dass es hier nicht zu einem möglichen Verstoß gegen den Rechtsgrundsatz der Gleichgewichtung der Stimmen kommen kann.
- Eine personalisierte Verhältniswahl durch analoge Anwendung des deutschen Wahlrechts im Ausland, wobei im Ausland lebende Deutsche zu entsprechenden Auslandswahlkreisen zusammengefasst werden, für die es gemeinsam eine Auslandswahlliste gibt.
Deutsche im Ausland haben keinen politischen Ansprechpartner, der sich für ihre legislativen Angelegenheiten einsetzen kann. Insbesondere in Bereichen des Steuerrechts, Staatsbürgerrechts, aber auch beispielsweise Gesundheitspolitik, haben Entscheidungen von Berlin auch für im Ausland lebende Deutsche weitreichende politische Relevanz. Hier ergibt sich ein demokratietheoretischer Widerspruch, da Deutsche im Ausland als Gruppe zwar von einer eigenen Verwaltungsstruktur bedient werden (den Botschaften und Konsulaten), die Möglichkeiten politischer Partizipation aber ausbleiben.
Die Restriktionen im Wahlrecht widersprechen bei im europäischen Ausland lebenden Deutschen Staatsbürger:innen der europäischen Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit in besonderen Maße. Nur durch eine Schaffung von eindeutigen Maßstäben für das Wahlrecht im Ausland, ist es Deutschen Staatsbürger:innen möglich, die europäische Niederlassungsfreiheit wahrzunehmen und sich dabei ihrem Wahlrecht für ein nationales Parlament sicher zu sein. Zwar haben EU-Bürger:innen bisher das aktive und passive Wahlrecht für Kommunal- und Europawahlen im europäischen Ausland, aber aufgrund der oben genannten Politikfelder ist das uneingeschränkte Wahlrecht für den Deutschen Bundestag unabdingbar. Die Schaffung von eindeutigen Maßstäben im Deutschen Wahlrecht würde somit auch zu einer Rechtssicherheit bei der Wahrnehmung von europäischen Freiheitsrechten durch deutsche Staatsbürger:innen führen.
Deutschen Staatsbürger:innen unabhängig von ihrem Wohn- und Aufenthaltsort eine verbesserte Wahlrechtsausübung für die Wahlen zum Deutschen Bundestag zu gewähren, entspricht zudem einer modernen Auffassung von Demokratie und Mitbestimmung. Als internationale Partei, dessen Mitglieder verstreut über den ganzen Globus an einer sozialdemokratischeren Welt arbeiten, entspricht es unserem politischen Naturell, Belange Aller unabhängig von ihrem Wohn- und Aufenthaltsort in den Mittelpunkt der politischen Debatte zu rücken. Eine Änderung des Wahlrechts für Deutsche im Ausland muss deshalb ein übergeordnetes Ziel der SPD sein, für welches wir uns in der bevorstehenden Wahlrechtsnovellierung einsetzen müssen.
Die Rechte von Deutsche in Großbritannien nach dem Brexit sicherstellen
Wir fordern die Sicherstellung von Bürgerrechten Deutscher in Großbritannien nach dem Brexit. Auch wenn die EU als federführende Verhandlerin über das Verhältnis zu Großbritannien maßgeblich ist, muss die Bundesregierung folgende Sachverhalte umsetzen, da sie in ihren Kompetenzbereich fallen:
- Die doppelte Staatsbürgerschaft für Deutsche in Großbritannien ohne Vorbehalt und analog zur Doppelstaatsbürgerschaft in der EU oder der Schweiz ermöglichen,
- Bildungsabschlüsse aus Großbritannien ohne Kosten und bürokratischen Aufwand anerkennen,
- Zivilgesellschaftliche Kooperation und Austauschprogramme stärker unterstützen,
- Anerkennung, Sicherstellung und Möglichkeit zur Übertragung von Ansprüchen auf Sozialleistungen. Dies betrifft insbesondere die Bereiche Rentenversicherung, die unbürokratische Fortführung des Kindergeldes, sowie ein angemessener Anspruch auf Arbeitslosengeld zur Vermeidung eines Rückfalls auf Grundsicherung nach Arbeitsverlust und Rückkehr nach Deutschland.
Begründung:
- Vielen Deutschen in Großbritannien steht der Weg zur britischen Staatsbürgerschaft offen. Zwar hat die britische Regierung den so genannten “settled status” (nominell vergleichbar mit unbefristeter Aufenthaltsgenehmigung) für EU-Bürger:innen eingeführt, doch leider bietet dieser keine verlässliche Rechtssicherheit. Die Konditionen hierfür können ohne Parlamentsbeschluss von Regierungsseite geändert werden (wie bereits geschehen). Nur die britische Staatsangehörigkeit bietet daher umfassende Rechtssicherheit in Großbritannien. Leider steht dem bislang die deutsche Praxis gegenüber, grundsätzlich keine mehrfachen Staatsangehörigkeiten zuzulassen. Ein so genannter “Beibehaltungsantrag” ist bürokratie- und zeitaufwendig, sowie kostspielig, was eine unangemessene Belastung für Deutsche im Ausland darstellt. Daher soll die Bundesregierung Deutschen in Großbritannien, die die britische Staatsangehörigkeit anstreben, dies ohne weitere Hürden ermöglichen, wie es bis zum 31. Dezember 2020 möglich war. Dies entspricht im Übrigen der Beschlusslage der SPD.
- Trotz des Bologna-Systems ist die Anerkennung europäischer Hochschulabschlüsse vor allem auf Bundesebene nicht ohne weiteres möglich. Für Bewerbungen bei obersten Bundesbehörden muss bspw. eine Gleichwertigkeitsbescheinigung der Kultusministerkonferenz angestrebt werden, die bürokratisch aufwendig und kostspielig ist. Die deutsch-britischen Beziehungen können in dieser Situation eine Vorreiterrolle spielen, wenn die Bundesregierung einen besseren Rahmen zur Anerkennung von Bildungsabschlüssen ermöglicht.
- Das gesellschaftliche Klima in Großbritannien driftet – angefeuert durch die konservative Presse – immer weiter in den Nationalismus ab. Die EU und auch Deutschland werden verstärkt als Feindbilder gezeichnet, die Medienschlacht über die öffentliche Meinung scheint verloren. Dem gilt es mit persönlichen Kontakten positive Erfahrungen entgegenzusetzen. Daher ist es von höchster Bedeutung, die Budgets der deutschen politischen Stiftungen in Großbritannien und der Goethe Institute für Programme, die den persönlichen Austausch fördern, auszubauen. Dies sollte um umfangreiche Fördermaßnahmen für andere zivilgesellschaftliche Akteure, wie bspw. das British German Forum und Initiativen von engagierten Individuen, erweitert werden.
- Ein großer Unsicherheitsfaktor für Deutsche in Großbritannien ist derzeit die Rechtssicherheit hinsichtlich der Ansprüche auf Sozialleistungen. Dieser Unsicherheit kann in den unterschiedlichen Bereichen mit unterschiedlichen Mitteln begegnet werden. Ob ein Anspruch auf Kindergeld besteht, hängt von der steuerlichen Situation der Eltern ab. Auch wenn in diesem Fall durch Brexit keine materiellen Veränderungen eintreten, ist es von großer Bedeutung, den von Brexit Betroffenen die rechtliche Situation deutlich zu kommunizieren. Eine entsprechende Kampagne kann Zweifel ausräumen und unzuverlässigen Informationen entgegenwirken.
Innerhalb der EU ist die Kombination von Rentenansprüchen aus verschiedenen Mitgliedstaaten grundsätzlich vorgesehen. Die Stellung Großbritanniens hinsichtlich des europäischen Rentensystems ist weiterhin unklar. Unabhängig davon besteht allerdings die Möglichkeit zur Übertragung von Ansprüchen von Großbritannien in ein anderes, anerkanntes Rentensystem, was allerdings eine hohe Steuerlast und damit Rentenminderung mit sich bringt. Die Bundesregierung kann in diesem Zusammenhang auf ein Abkommen mit der britischen Regierung hinarbeiten, das die abgabenfreie und reibungslose Übertragung von Rentenansprüchen zwischen beiden Ländern sicherstellt. Das deutsch-britische Sozialversicherungsabkommen von 1960, dessen Bestimmungen an das 21. Jahrhundert angepasst werden sollten, bietet hierfür eine geeignete Verhandlungsgrundlage.
Wer in der aktuellen Situation aus Großbritannien dauerhaft nach Deutschland zurückkehren muss, hat im Fall von unmittelbarer Arbeitslosigkeit keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld 1 und fällt bestenfalls auf die Grundsicherung zurück. Brexit stellt eine historische Ausnahmesituation dar, die nicht von Deutschen in Großbritannien zu verantworten ist. In Anbetracht der Tatsache, dass eine Rückkehr auch durch strenge Staatsbürgerschaftsregeln (siehe Punkt 1) erzwungen werden könnte, ist dieser Umstand nicht hinnehmbar. Die Rahmenfrist sollte daher im Fall einer Rückkehr aufgrund von Brexit keine Anwendung finden und Ansprüche auf Basis der Versicherungszeit und -höhe in Großbritannien anerkannt werden.
Schaffung einer/s Beauftragten des Bundes für die Belange Deutscher im Ausland
Um die demokratischen Rechte und politischen Partizipationsmöglichkeiten Deutscher Staatsbürger:innen mit Wohnsitz im Ausland zu wahren, fordern wir die Schaffung einer/s Beauftragten auf Bundesebene für die politischen Belange Deutscher im Ausland.
Die Aufgaben dieser/s Beauftragten sollen sein:
- Als direkte/r Ansprechpartner:in für die politischen Anliegen Deutscher im Ausland im Deutschen Bundestag zu dienen;
- Die Vertretung der Interessen Deutscher im Ausland gegenüber Bundestag und Bundesregierung;
- Das Erfassen systematischer Informationen, soweit gesetzlich möglich, über die Verteilung und Interessen Deutscher im Ausland;
- Die Unterstützung zivilgesellschaftlicher Organisationen Deutscher im Ausland in Koordination mit dem Auswärtigen Amt und dem Bundesamt für Internationale Angelegenheiten.
Über die organisatorische Stellung der/s Beauftragten für die Belange Deutscher im Ausland soll der Bundestag entscheiden. In Frage kommen die Einrichtung einer/s Beauftragten des Deutschen Bundestags, einer/s Beauftragten der Bundesregierung oder einer/s Sonderbeauftragten im Auswärtigen Amt.
Begründung:
Circa 4 Millionen Deutsche leben dauerhaft im Ausland. Zwar können sie an Bundestagswahlen – mit zusätzlichen Hürden im Vergleich zu im Inland Lebenden – teilnehmen, jedoch ist ihre politische Repräsentation als Bevölkerungsgruppe nicht gegeben. Dies ergibt sich aus der Schieflage, dass Deutsche im Ausland als Gruppe zwar von einer eigenen Verwaltungsstruktur bedient werden (den Botschaften und Konsulaten), die Möglichkeiten politischer Partizipation aber völlig anders organisiert sind. Im Gegensatz zu Wähler:innen im Inland können Deutsche im Ausland gerade nicht über die verschiedenen politischen Ebenen auf die Regeln einwirken, die ihnen gegenüber durchgesetzt werden. Stattdessen bleibt Deutschen im Ausland nur die Teilnahme an der Bundestagswahl, bei der ihre Stimmen aber durch die Verteilung auf alle Wahlkreise so gestreut werden, dass ihnen als eigener Wähler:innengruppe mit eigenen Interessen kein Gewicht zufällt.
Im Detail heißt das: Im Ausland sind für die Deutschen die Konsularabteilungen der Botschaften erste Ansprechpartnerinnen. Sie dienen jedoch lediglich der Regeldurchsetzung und -kommunikation. Deutsche im Ausland können sich bei der Botschaft über Regelungen informieren, sich aber nicht beschweren oder auf die Ausgestaltung der Regel politischen Einfluss ausüben. Auf die politisch Verantwortlichen – die Bundestagsabgeordneten – haben Deutsche im Ausland zudem wesentlich weniger Zugriff und Einfluss als ihre Mitbürger:innen im Inland. Denn während Wähler:innen, die im Inland in ihren Wahlkreisen leben, durch ihre Sichtbarkeit und Präsenz vor Ort gegenüber ihren Bundestagsabgeordneten Gewicht haben, werden Deutsche im Ausland, die sich an “ihre” Bundestagsabgeordneten in ihrer Gemeinde wenden, in der sie zuletzt gemeldet waren, nicht als signifikante Wähler:innen-Gruppe mit durchsetzungswürdigen Eigeninteressen wahrgenommen.
Diese Schieflage offenbart sich immer wieder, wenn die Interessen Deutscher im Ausland “vergessen” und in der Bundespolitik nicht berücksichtigt werden.
Besonders deutlich wurde dies im Zuge der andauernden Corona-Pandemie. Für Deutsche im Ausland bedeutete sie doppelte Ungewissheit, insbesondere bei den Regelungen zu Reisebeschränkungen und der Testpflicht. Dies lag zum einen an der Rhetorik, mit der politische Entscheidungen zu Reisebeschränkungen kommuniziert wurden. Hier war durchweg von “Reiserückkehrern”, “Urlaubsreisen” und unvernünftigen “touristischen Reisen” die Rede. Dies sind Kategorien, in denen sich Deutsche im Ausland nicht einordnen konnten, die beispielsweise zu einem Familienbesuch, zur Pflege von im deutschen “Shutdown” hilfsbedürftigen Familienangehörigen, oder anderen im innerdeutschen Reiseverkehr zulässigen Gründen nach Deutschland gereist sind. Erst jüngst wurde ausdrücklich betont, dass deutsche Staatsbürger:innen von Einreiseverboten auch Hochrisikogebieten nicht betroffen sind. Dieselbe Verwirrung wurde für Deutsche im Ausland in Bezug auf die Corona-Testpflicht in Deutschland zur Realität: Viele Testcenter stellten ausdrücklich kostenlose Tests zur Verfügung – für Bürger:innen der jeweiligen Stadt oder des jeweiligen Bundeslandes. Ob und wie Deutsche im Ausland sich hier testen lassen konnten und wie man dies im Zweifelsfall über die ausländische Krankenversicherung abrechnen könnte, war völlig unklar. So mussten Deutsche im Ausland “einfach ausprobieren”, ob sie auch getestet würden – mit unterschiedlichen Ergebnissen je nach Testcenter. Diese Umstände sind Ausdruck dessen, dass Deutsche im Ausland politisch “vergessen” werden. Gerade bei 4 Millionen Deutschen im Ausland wäre jedoch anzunehmen, dass diese zu Corona-Zeiten einen Großteil des Reiseverkehrs ausmachen würden – und damit die erste Zielgruppe politischer Kommunikation hätten sein sollen.
Ein zweites Beispiel ist die Anrechnung von Sozialversicherungsleistungen aus dem Ausland, zum Beispiel der Transfer von Ansprüchen der gesetzlichen Krankenversicherung oder Rentenversicherungsbeiträgen. Dies ist ein bundespolitisches Thema, das Deutsche im Ausland als Kernzielgruppe hat. Die Möglichkeiten für Deutsche im Ausland, auf die politische Ausgestaltung dieser Regelung Einfluss auszuüben sind jedoch durch ihre oben im Detail besprochene Zersplitterung als Wähler:innengruppe praktisch nicht gegeben.
Ein:e Bundesbeauftragte:r für die Belange Deutscher im Ausland würde in diesen Situationen Abhilfe schaffen und als politsche:r Ansprechpartner:in Deutschen im Ausland die ihnen zustehende Stimme im politischen Berlin verschaffen. Die Einführung eines solchen Amtes als Parlamentsbeauftrage:r, Bundesbeauftragte:r oder Beauftragte:r der Bundesregierung ist nach Sicht des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages rechtens (WD 3–3000-090/16).
„Von anderen lernen heißt besser werden“ – Erfahrungen von SPD- Mitgliedern im Ausland zur Erneuerung des SPD-Politik nutzen
Der SPD-Parteivorstand und die SPD-Bundestagsfraktion werden aufgefordert, jeweils eine/n Verantwortliche/n zu bestimmen, der/die als Ansprechpartner/in für die SPD- Auslandsgruppen die Aufgabe hat, deren Berichte über politische oder administrative „best practice“-Beispiele im Ausland entgegenzunehmen und in den Prozess der Erneuerung der SPD-Politik einzubringen. Zur Förderung dieses Austausches werden Amts- und Mandatsträger angehalten, die SPD Auslandsgruppen zu besuchen.
Begründung:
In einer Reihe von Politikfeldern sammeln Mitglieder der SPD Auslandsgruppen regelmäßig direkte Erfahrungen mit Reformen in anderen Ländern. Diese Erfahrungen können zur Diskussion über politische Maßnahmen in Deutschland beitragen, bevor wir als SPD auf Bundes- und Landesebene und selbst auf kommunaler Ebene Zeit und politisches Kapital vergeuden
In anderen Ländern gibt es ein breites Spektrum an Beispielen für oft seit Jahren gelungene (oder abschreckende) Politikerfahrungen. Die betroffenen Politikfelder reichen von Bildung und Integration über Digitalisierung, bis zu sozialverträglicher Renten- und Wohnungspolitik bei der Lösung von sozialen und ökologischen Herausforderungen in Zusammenarbeit zwischen Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft.
Hier einige Beispiele:
Gleichstellung von Frauen in Führungspositionen:
Jedes Jahr zum internationalen Frauentag ritualisiert sich in Deutschland die Diskussion über die Frage: „Kaum Chefinnen, weniger Geld: Werden Frauen immer noch benachteiligt?“ In diesem Jahr (2021) gibt es immer noch Widerstände gegen die Einführung der „Frauenquote“ in Großunternehmen.
Aber in Norwegen wurde bereits 2006 die 40% Quote in börsennotierten Aktiengesellschaften– unter Androhungen von Sanktionen – gesetzlich durchgesetzt, obendrein mit besseren ökonomischen Ergebnissen als „Männerbetriebe“.
Begleitende Maßnahmen als Voraussetzung für Gleichstellungserfolge, waren u.a. umfassende Weiterbildungskampagnen zur Förderung der Leitungsfähigkeiten von Frauen in Sozialdemokratie, Gewerkschaften und NHO (Hauptarbeitgeber- und Unternehmerverband). Darüber hinaus können von den nordischen Ländern weitere Ansätze zur tatsächlichen Gleichstellung der Geschlechter übernommen werden.
Beispiel Bildungswesen und Integration:
Ein Beispiel für den Erfolg der Integration im norwegischen Bildungswesen ist dass der Anteil von Frauen aus Einwandererfamilien, die die Schule mit der Hochschulreife verlassen und anschließend studieren, inzwischen erheblich höher als bei Frauen aus „norwegischen“ Familien. Als Gründe wird u.a. folgendes angeführt:
Norwegen hat seit Jahrzehnten eine Einheitsschule für alle — mit Ausstattung und Verantwortung der Kommune zur optimalen Förderung aller Schülerinnen und Schüler. Eine frühe Trennung nach Leistung und damit auch der sozialen Herkunft ist nicht zugelassen, stattdessen haben die Schulen die Verpflichtung zu Sonderkursen für Abbau von sprachlichen und fachlichen Defiziten.
Beispiel Digitalisierung im Bildungswesen:
Schon vor rund 20 Jahren wurde in Norwegen die Digitalisierung des Unterrichts in Schulen und Universitäten eingeführt. Ab Klasse 5 werden allen Schülerinnen und Schülern Laptops (gegen Leihgebühr von ca. 100 Euro pro Jahr) und ein persönliches Schulpostfach (Email) zur Verfügung gestellt und im Alltag bei der Ausführung von Schulaufgaben und persönlichen Kontrolle/Kommunikation mit den jeweiligen Lehrern genutzt. Auch mit digitalen Lernplattformen gibt es hier langjährige Erfahrungen. Darüber hinaus gibt es an jeder Schule i.d.R. mindestens eine hauptamtliche IT-Planstelle.
Beispiel Infrastruktur und Verkehr:
Bereits vor über 10 Jahren begann der Staat mit Investition in ein breites Netz von Elektrotanksäulen in Stadt und Land, und gewährte Mehrwehrtsteuerfreiheit, Kfz- Steuerfreiheit und andere Verkehrsprivilegien für Elektrofahrzeuge. Das Ergebnis: Seit Jahren hat Norwegen bei Neuzulassung von PKW eine Elektroquote von weit über 50%.
Beispiel Digitalisierung der öffentlichen Verwaltungen:
In anderen Ländern – z.B. in Großbritannien – gibt es durch sog. e-government seit Jahren schnelle, effektive und kostengünstige öffentlichen Verwaltungsstrukturen (vgl. Antrag Digitalisierung bürokratischer Prozesse in Bundes-, Landes- bzw. Kommunalverwaltung des SPD-FK London).
In Norwegen erhalten alle Arbeitnehmer:innen jährlich – per Mail bzw. per SMS angekündigte – von den Finanzämtern auf Grundlage von vorhandenen Daten ihre digital erarbeitete Jahreseinkommenssteuererklärung. Wenn die Steuerpflichtigen nicht zustimmen, können sie dann per Internet bis zu einem festen Termin digital Einspruch einlegen und Änderungen vornehmen.
Darüber hinaus gibt es ein seit Jahren funktionierendes digitales Gesundheitsmanagementsystem was es Patient:innen erleichtert, mit behandelnden Arztpraxen zu kommunizieren und sensible Daten eigenzuverwalten.
Beispiel Bildung:
In Deutschland hängt der individuelle Bildungserfolg weiterhin stark von der sozio- ökonomischen Stellung der Eltern ab. Die Pisa-Studien der OECD weisen Deutschland immer wieder als eines der Schlusslichter in diesem Zusammenhang aus. Eine Ursache hierfür ist das dreiteilige deutsche Schulsystem. Von Frankreich kann man hier lernen, dass und wie eine Einheitsschule die Bildungsgerechtigkeit erhöht.
Erarbeitung eines Vorschlags zur Einführung einer Karenzzeit für politische Amtsträgerinnen
Der SPD-Bundesvorstand wird beauftragt, bis zum nächsten Bundesparteitag eine sozialdemokratische, von der Mehrheit der Mitglieder getragene Position zur Karenzzeit für politische Amtsträger:innen zu erarbeiten und zur Abstimmung zu stellen. Der Parteivorstand soll dabei die Erfahrungen anderer Länder mit Karenzzeitregelungen in Betracht ziehen und anhand konkreter Beispiele die Anwendung der identifizierten Position veranschaulichen.
Diese Position soll als Grundlage für eine Formulierung in der Programmatik der SPD dienen, die in der kommenden Wahlperiode zu einem konkreten Gesetzesentwurf ausgearbeitet werden soll.
Begründung:
Einleitung
Regelmäßig geraten Wechsel von der Politik in die Wirtschaft, insbesondere zu Lobbyismus- Tätigkeit in die öffentliche Kritik, weil sie als anrüchig erachtet werden. Von der Kritik blieb auch die SPD in der Vergangenheit nicht verschont.
Gerade bei nahtlosem Übergang vom Amt zu einer Folgebeschäftigung können die im Amt gewonnenen Kontakte und Informationen offensichtlichen Mehrwert oder gar eine Wettbewerbsverzerrung zugunsten des neuen Arbeitgebers / der neuen Arbeitgeberin ermöglichen. Das beschädigt das Ansehen unserer Demokratie, weckt Misstrauen in die Integrität von Politiker:innen allgemein und schürt Zweifel an der Gemeinwohlorientierung der Exekutive.
Auch in der freien Wirtschaft ist es keine Seltenheit, dass Führungskräfte beim Wechsel des Unternehmens einem temporären Konkurrenzverbot unterliegen.
Definition
Unter Karenzzeit verstehen wir eine Frist, die die Aufnahme einer wirtschaftlichen Tätigkeit durch aus dem Amt scheidende Mitglieder von Bundes- und Landesregierungen, einschließlich Parlamentarische Staatssekretär:innen verhindert, um Interessenskonflikte und die Beschädigung der Integrität und Glaubwürdigkeit des vorher ausgeübten Amtes zu vermeiden.
Stand der Debatte und des Rechts
Die Debatte um eine Einführung wird in Deutschland bereits seit langem geführt. Eine effektive Lösung wurde auf Bundesebene bisher nicht gefunden.
2015 wurde ein “Gesetz zur Änderung des Bundesministergesetzes und des Gesetzes über die Rechtsverhältnisse der Parlamentarischen Staatssekretäre” verabschiedet, das eine Anzeigepflicht von allen Tätigkeiten mit potenziellen Interessenskonflikten in den ersten 18 Monaten nach Amtsaustritt sowie ein dreiköpfiges Gremium, die Tätigkeiten im Einzelfall untersagen darf, einführte.
Da eine Evaluierung der Effektivität dieses Gesetzes bis heute ausblieb, kann nicht abschließend beurteilt werden, ob diese Regelung effektiv die Ausnutzung des vorherigen Amtes für die unmittelbaren Folgebeschäftigungen verhindert hat. Die seitdem weiterhin zahlreich auftretenden Fälle, die oft zu öffentlicher Kritik führten, deuten aber darauf hin, dass die Regelung keineswegs ausreicht. Daher fordern wir einen erneuten gesetzgeberischen Versuch, eine effektive Lösung zu finden.
Insbesondere fehlen:
– eine klare Definition der als problematisch erachteten Tätigkeiten,
– effektive Befugnisse des Gremiums, wie etwa die Möglichkeit, die Bundesregierung auch ohne Anzeige einer Tätigkeit über einen potenziellen Interessenskonflikt zu informieren,
– Ordnungsgelder für die Verletzung der Anzeigepflicht und des Verbots der Tätigkeit durch die Bundesregierung,
– die Offenlegung der aufgenommenen Tätigkeiten,
– die Offenlegung der Entscheidungsfindung des dreiköpfigen Gremiums.
Stärkung der sozialen Absicherung von freischaffenden Künstlern in Deutschland
Im Rahmen einer gewünschten „Aufwärtskonvergenz“ innerhalb Europas möchte die SPD International zu einer Verbesserung der sozialen Stellung der freischaffenden Künstler in Deutschland beitragen. Das französische System schützt und versorgt diesen Berufszweig besser, und kann daher als Vorbild für eine Reform in Deutschland dienen.
Begründung:
Die in Deutschland 1983 gegründete Künstlersozialkasse sichert einen Zugang dieses Berufszweiges zu den Kranken-, Pflege- und Rentenkassen. Der Bereich der Arbeitslosenversicherung ist aber davon ausgenommen.
Es gibt in Deutschland ca. 1,3 Millionen Personen, die einen Beruf im künstlerischen Bereich ausüben, und davon werden die Freischaffenden auf ca. 495.000 geschätzt. Angestellte Künstler sind z.B. Mitglieder eines Theaterensembles oder eines Orchesters, und werden im Falle von Arbeitslosigkeit sowohl von Arbeitslosengeld I als auch von Kurzarbeit profitieren können. Die Freischaffenden aber, zu denen z.B. auch die gesamte Filmwirtschaft zählt, kommen nicht in den Genuss von Festanstellungen, und gelten als Selbstständige.
Die gegenwärtige Pandemiesituation hat zu einer erschreckenden Verarmung insbesondere der freischaffenden Künstler geführt. Der Anspruch auf Arbeitslosengeld I ist bei freischaffenden Künstlern nur sehr schwer zu erreichen. Hartz IV-Grundsicherung ist für diesen Berufszweig die häufigste Alternative zu Arbeitstagen, und bringt sämtliche bekannte schwerwiegende Mängel mit, wie z.B. ein Schonvermögen von maximal ca. 10.000€, sowie ein Altersvorsorgevermögen von maximal ca. 50.000€. Für Künstler, die für schlechtere Zeiten angespart haben, oder eine Altersversicherung aufbauen möchten, ist dies nicht nur eine Aussicht, sondern eine Garantie auf Altersarmut.
Politische Parteien insbesondere im linken Spektrum haben sich bereits für die Belange der Freischaffenden starkgemacht, die SPD bislang insbesondere im Rahmen der Bundestagsfraktion, ohne dass es bislang zu einer echten Verbesserung gekommen ist.
In Frankreich existiert das sogenannte „régime des intermittents du spectacle“, vielleicht mit „Künstlerteilzeitstatus“ zu übersetzen, bereits seit 1936, und wurde ursprünglich für die Filmbranche geschaffen, und nach und nach auf alle anderen künstlerischen Bereich ausgeweitet. Zu den Künstlern kommen auch die Techniker hinzu, die im künstlerischen Bereich tätig sind.
Dieser Status berücksichtigt die Besonderheit, dass ein freischaffender (also nicht angestellter) Künstler lediglich bei Aufführungen bzw. Drehtagen, also nur wenige Stunden oder Tage im Jahr bezahlt wird. Jeder so bezahlte Tag gilt als befristeter Arbeitsvertrag, und nicht etwa als freies Honorar.
Künstler werden in Frankreich in Bezug auf die Arbeitslosenversicherung anders als die anderen Arbeitslosen oder als Selbstständige behandelt. Das drückt den Wunsch aus, Kultur als ein besonders zu förderndes Gut zu behandeln (“l’exception culturelle”). Konkret muss ein Künstler 507 Stunden im Jahr bezahlt worden sein (also ca. 60 Arbeitstage), über die vergangenen 12 Monate, um 8 Monate lang von einem speziellen Arbeitslosengeld zu profitieren, welches sich im nationalen Durchschnitt auf monatlich 1805€ brutto beläuft.
Im vergangenen Jahr hat die französische Regierung darüber hinaus beschlossen, dass der Anspruch auf das Arbeitslosengeld automatisch um ein Jahr verlängert wird, aufgrund der pandemischen Situation. Anders ausgedrückt erhalten zur Zeit (und bis zum 31.08.2021) freischaffende Künstler und Techniker besagtes Arbeitslosengeld, ohne in den vergangenen 12 Monaten gearbeitet zu haben.
Die heutige Situation ist ein Extremfall für freischaffende Künstler, und droht, zu einer regelrechten Verkümmerung der Kunstszene zu führen. Das ist für ein einflussreiches und wohlhabendes Land eine inakzeptable Situation. Aber auch darüber hinaus muss eine bessere wirtschaftliche Einbindung all derer, die auf teilweise sehr kurzzeitige Verträge angewiesen sind, geachtet werden.
Digitalisierung bürokratischer Prozesse in Bundes-, Landes- bzw. Kommunalverwaltung
Wir fordern, digitale Abläufe für Anträge und Dienstleistungen deutscher Behörden zu schaffen. Eine schnellere, effektivere und kostengünstigere Arbeitsweise der öffentlichen Verwaltung (sog. e-government) ermöglicht Bürger:innen einen einfachen Zugang zu den Leistungen des Staates und ist politisch überfällig. Das E- Government Gesetz (EGovG) aus dem Jahr 2013 setzt der Deutschen Verwaltung eine größere Digitalisierung zum Ziel, allerdings ist das Gesetz überarbeitungsbedürftig. Im Detail fordern wir folgende Maßnahmen:
- Alle Anträge an den Sozialstaat in Deutschland müssen grundsätzlich digital und mit persönlichen Computersystemen von Bürger:innen ausfüllbar sein. Als Vorbild kann hierbei die zentrale E-government Webseite der Britischen Regierung (www.gov.uk), die 29 ministerielle Behörden sowie 409 weitere Einrichtungen des Landes zusammenfasst, dienen. Diese zentrale Seite ermöglicht es Bürger:innen in England zum Beispiel Jobangebote zu suchen, Steuerinformationen einzusehen und sogar ihren Studienkredit oder sogar ihren Aufenthaltstitel zu verwalten.
- Eine flächendeckende Einführung von digitaler Verwaltung ist auch in den nachgeordneten Landes- und Kommunalbehörden notwendig. Dazu müssen Bundes- und Landesbehörden verwaltungsrechtlich enger zusammenarbeiten und behördliche Prozesse unter Effizienzgesichtspunkten verschlanken. Als zentrale Schnittstelle und technischer Berater kann hier das bundeseigene Unternehmen DigitalService4Germany dienen, welches im September 2020 erst vom Bund übernommen worden ist.
- Um Digitalisierungsprozesse innerhalb der SPD weiter zu konzeptionalisieren empfehlen wir, dass sich das Forum Netzpolitik, das schon jetzt wertvolle Arbeit leistet, weiterhin mit Fragen zum E-Government zu betrauen und entsprechend zu stärken. Entsprechende Vorschläge müssen gemeinsam mit den fachpolitischen Vertreter:innen der Partei in die politische Debatte eingebracht werden.
Begründung:
Bei der Digitalisierung der Verwaltung hat Deutschland viel Nachholbedarf. Zwar bieten einige Behörden auf Bundes-, Landes- und Kommunalebene in Deutschland bereits einige E-Government Dienstleistungen an, allerdings werden diese nur von 41% der Deutschen genutzt. Dies ist zum einen auf ein ungenügendes Angebot zurückzuführen, aber auch auf die bislang notwendige Anschaffung von zusätzlicher Hardware, wie bspw. das Lesegerät für den elektronischen Personalausweis. Ein Schritt in die richtige Richtung ist die ‘AusweisApp2’, die seit Dezember 2020 dieses Lesegerät ersetzt, doch es muss deutlich mehr geschehen, um Deutschland im internationalen Vergleich gut zu positionieren. In einem Bericht der Europäischen Kommission aus dem Jahre 2016 wurde Deutschlands E- Government Platz 20 von 28 zugesprochen.
Dabei gibt es viele überzeugende Argument für die Digitalisierung der Verwaltung des Staates und insbesondere der Dienstleistungen für die Bürger:innen:
Sozial ist es besonders wichtig, die Zugänge zum Sozialstaat so offen wie möglich zu gestalten. Besonders bewusst ist sind uns die Vorzüge von digitaler Verwaltung während der Corona-Pandemie geworden. Dass Behördengänge zukünftig also digital erledigt werden können, ist nicht nur ein weiterer Schritt in Richtung Digitalisierung, sondern ermöglicht es Bürgerinnen und Bürgern die Vorteile des Staates in jeder Situation zu nutzen. Dies verlangt nicht nur einen Ausbau der digitalen Infrastruktur in der Verwaltung, sondern auch die bessere digitale Anbindung von ländlichen Regionen in Deutschland. Der flächendeckende Ausbau von Glasfaserleitungen ist daher ein ebenso wichtiger Bestandteil, die Zugänge zum Sozialstaat in der Zukunft für alle offen zu halten.
Wirtschaftlich sorgen digitalisierte Verwaltungsabläufe für eine höhere Attraktivität für den Standort Deutschland. Durch digitale Verträge und Dienstleistungen wird es Unternehmen einfacher gemacht, sich in Deutschland niederzulassen und die gewerblichen Auflagen bei der zuständigen Behörde zu erfüllen. Eine höhere verwalterische Effizienz spart nicht nur Geld und Papier, sondern vor allem auch Zeit auf beiden Seiten. So hat das Kompetenzzentrum Öffentliche Informationstechnologie des Fraunhofer-Instituts berichtet, dass Post- und Papierwege ein Drittel der Kosten der am 60 häufigsten nachgefragten Dienstleistungen verschlingen. Der wissenschaftliche Dienst des Bundestages (WD 3 – 165/07) erkannte bereits im Jahr 2007 in einem Bericht, dass eine umfassende Digitalisierung alleine in Bundesbehörden ein Einsparpotential von 250-350 Millionen Euro pro Jahr mit sich brächte. Die Investitionskosten einer zentralen Website für behördliche Anliegen wird im gleichen Gutachten auf ca. 650 Mio Euro beziffert.
Ökologische Vorteile einer digitalen Verwaltung tragen darüber hinaus zu einer Verminderung klimaschädlicher Emissionen bei. Zwar ist Digitalisierung kein Allheilmittel für öffentliche Verwaltungsprozesse, bei denen große Mengen Emissionen freigesetzt werden, jedoch bietet sie einen sinnvollen Ansatz, auf dessen Grundlage weitere Emissionsreduktionen erreicht werden können.
Eine digitale und papierlose Verwaltung erlaubt zudem eine einfachere politische Kontrolle, da sie transparenter und nachvollziehbarer ist. Nicht nur Bürgerinnen und Bürger sind in der Lage bessere Einblicke in den aktuellen Status von behördlichen Prozessen zu bekommen, sondern auch politische Organe können die Datenspur einfacher zurückverfolgen. Diese neue Ansammlung von Daten muss selbstverständlich mit dem Datenschutzrecht in Einklang gebracht werden.
Best Practice: Großbritannien und Estland
Für die Digitalisierung in Deutschland kann Großbritannien als best-practice Beispiel dienen. Die Website gov.uk der Britischen Regierung, die alle Dienstleistungen und Behörden an einem Ort verbindet, weist ein hohes Maß an Benutzerfreundlichkeit auf. Diese ist seit 2012 online, benutzerfreundlich gestaltet und funktioniert stabil. Sie fasst 29 ministerielle Behörden sowie 409 weitere Einrichtungen des Landes zusammen und ermöglicht es Bürger:innen in England zum Beispiel Jobangebote zu suchen, Steuerinformationen einzusehen und sogar ihren Studienkredit oder sogar ihren Aufenthaltstitel zu verwalten.
Self-Assessment Tools (SATs) ersparen außerdem Anrufe oder E-mails an Sachbearbeiter. Mit diesen SATs kann man seine Einkommenssteuer berechnen oder die steuerlichen Veränderungen des Brexits auf ein Unternehmen innerhalb kürzester Zeit klären bzw. berechnen.
Ein nachahmenswertes Beispiel hinsichtlich Datenschutzes ist die digitale Verwaltung Estlands. Hier sind alle Verwaltungsvorgänge grundsätzlich digital, inklusive der Speicherung einer großen Anzahl persönlicher Bürgerdaten. Die Besonderheit liegt in der Transparenz mit der diese Daten verwaltet werden. Wenn ein Datenzugriff erfolgt, kann die betroffene Bürgerin unmittelbar sehen, von welcher Stelle und zu welchem Zeitpunkt dieser vorgenommen wurde, sowie aus welchem Grund.
Die Bereitschaft zu einer Digitalisierung der Verwaltung in Deutschland ist in der Bevölkerung ist bereits gegeben: Laut einer Untersuchung der Wirtschaftsberatungsgesellschaft PwC stehen 91% der Bevölkerung der Idee offen gegenüber, jegliche Anträge digital zu stellen. Digitalisierung hat somit das Potential Bürgernähe zu erhöhen, wenn Formulare nicht mehr ausgedruckt werden, man sich das Porto sparen kann und große Postabteilungen in Behörden der Vergangenheit angehören. Sofern eine verlässliche Internetverbindung gegeben ist, kann Digitalisierung dem Bürger viel Zeit und Ärger ersparen.
Ein solches E-Government Angebot ist längst überfällig in Deutschland. Solche Probleme zu verschlafen rächt sich später. Dies kann man jedoch schon in der gegenwärtigen Corona Pandemie erkennen. Mit der Abhängigkeit von Faxgeräten haben sich die Gesundheitsämter in der Corona Pandemie total verzettelt. Eine erfolgreiche Digitalisierung und umfangreiches e-Government hätte früh Abhilfe geschafft.
Eine gerechte und effiziente Polizeiaufsicht!
Wir fordern die Schaffung einer unabhängigen Behörde zur Polizeiaufsicht und Untersuchung polizeilichen Handelns als nachgeordnete Behörde der jeweiligen Innen- oder Justizministerien auf Bundes- und Länderebene. Hierbei ist zu prüfen, inwieweit das britische Independent Office for Police Conduct (IOPC) als Vorbild einer solchen Behörde dienen kann.
Darüber hinaus fordern wir die nachfolgenden bewährten Praktiken der britischen Polizeien in der Bekämpfung von strukturellem Rassismus schnellstmöglich auch in den deutschen Polizeibehörden anzuwenden. Dazu zählen:
- Die Aus- und Weiterbildung von Polizeibeamt:innen durch externe und unabhängige Trainer in der Erkennung und Entgegenwirkung rassistischen Verhaltens.
- Die Durchführung von sogenannten Exit-Interviews, also Befragung von Polizeibeamt:innen über die Gründe und Ursachen wenn diese sich irregulär auf einen anderen Dienstposten versetzen lassen oder den Polizeidienst sogar vollends quittieren.
- Die Einrichtung einer repräsentativen Interessenvertretung für Polizeibeamt:innen ethnischer Minderheiten, die selbst von Rassismus betroffen sein könnten. Hierbei ist zu prüfen, inwieweit die britische National Black Police Association (NBPA) als Vorbild einer solchen Interessenvertretung dienen kann.
- Die Beteiligung repräsentativer Interessenvertretungen und Gewerkschaften bei richtungsweisenden Entscheidungen innerhalb der Polizeibehörden. Hierzu zählen bspw. Personalentscheidungen besonders gehobener Führungspositionen oder maßgebliche Budgetentscheidungen.
Begründung:
Durchführung unabhängiger Untersuchungen als Grundlage für gute Reformen Wir begrüßen die durch den niedersächsischen Innenminister Boris Pistorius Mitte Oktober 2020 angestoßene und durch seine sozialdemokratischen Amtskollegen anderer
Bundesländer unterstützte Initiative, eine Extremismusstudie in den Länderpolizeien durchzuführen; sowie der kurz darauf erfolgten Ankündigung von Vizekanzler Olaf Scholz, dass mit Zustimmung von Bundesinnenminister Horst Seehofer eine Studie zu Rassismus in der Polizei in Auftrag gegeben wird.
Als SPD London verweisen wir auf die britische Erfahrung des Scarman Reports nach den Unruhen in Brixton im Jahr 1981, sowie dem Macpherson Report nach dem rassistisch- motivierten Mord an Steven Lawrence im Jahr 1993, die jeweils strukturellen Rassismus innerhalb der britischen Polizeibehörden aufdeckten und als fundierte Grundlage für weitreichende Reformen dienten. Dies zeigt deutlich auf, dass die Durchführung umfassender Untersuchungen zu möglichem Fehlverhalten und strukturellem Rassismus innerhalb der Polizeibehörden ein wichtiger erster Schritt ist, um Problemen durch kluge und zielgerichtete Reformen an den richtigen Stellen begegnen zu können.
Schaffung einer unabhängigen Aufsichtsbehörde nach britischem Vorbild
Nichtsdestotrotz halten wir die aktuelle Aufsicht über die Polizeibehörden in Deutschland für unzureichend und sehen bereits jetzt Verbesserungsbedarf. Bisher obliegt die Ermittlung und Verfolgung von polizeilichem Fehlverhalten den Polizeibehörden selbst. Die Strafverfolgung wird dabei durch die der Polizei durch verstetigte Arbeitsbeziehungen oft nahestehende Staatsanwaltschaft ausgeübt, während die Fach- und Dienstaufsicht bei den jeweiligen Polizeien übergeordneten Innenministerien liegt. Hierdurch gibt es kaum die Möglichkeit etwaiges polizeiliches Fehlverhalten unabhängig zu ermitteln und damit angemessen gerichtlich erörtern zu können.
Als SPD Freundeskreis London können wir an dieser Stelle auf das positive britische Beispiel des Independent Office For Police Conduct (IOPC) verweisen. Als unabhängige Behörde bietet es eine vertrauenswürdige Stelle für Betroffene. Sie kann eigene Ermittlungen anstellen um etwaige Missstände und etwaiges Fehlverhalten in der Polizei aufzudecken und durch die Staatsanwaltschaft juristisch ahnden zu lassen. Wir halten die Einrichtung einer ähnlich gestalteten Behörde auch in Deutschland für angemessen. Aufgrund der föderalen Ordnung der Bundesrepublik würde dies aber wohl die Schaffung mehrerer entsprechender Behörden auf Bundes- und Landesebene analog zu den siebzehn Polizeibehörden erfordern.
Das britische Independent Office For Police Conduct als Erfolgsmodell
Das Britische Beispiel des IOPC gibt gute Anregungen, wie eine solche den jeweiligen Innenministerien nachgeordnete aber unabhängige Behörde ausgestaltet werden könnte. Zu beachten ist bspw. die diverse Zusammensetzung der Belegschaft aus Fachleuten verschiedenster relevanter wissenschaftlicher Disziplinen, die eine zusätzliche kriminologische Schulung erhalten. Dabei dürfen nicht mehr als 23% der Belegschaft aus ehemaligen Polizeibeamt:innen bestehen, um die wirkliche Unabhängigkeit der Behörde sicherzustellen. Die Beteiligung einiger ehemaliger Polizeibeamt:innen ermöglicht aber gleichzeitig eine tiefere praxiserfahrene Expertise zum polizeilichen Alltag.
Polizeimaßnahmen bei denen Zivilist:innen schwer geschädigt wurden müssen dem IOPC durch die Polizei selbst gemeldet werden. Das IOPC kann aber auch eigenständig Untersuchungen und Ermittlungen zu einem Fall aufnehmen. Dabei hat das IOPC Zugang zu allen polizeilichen Akten. Es verfügt darüber hinaus über eigenen Expert:innen und Gutachter:innen, bspw. Forensiker:innen. Sollte polizeiliches Fehlverhalten festgestellt werden, so werden die Ermittlungsergebnisse und gesammelten Beweise zur weiteren Verfolgung der Staatsanwaltschaft übergeben.
Obgleich wir anerkennen, dass es in Großbritannien mitnichten so ist, dass Probleme wie struktureller Rassismus in der Polizei oder polizeiliches Fehlverhalten grundsätzlich überwunden wären und diese Thematik auch hier von Bedeutung bleibt und weitere Reformen notwendig macht, ist dennoch festzustellen, dass in Großbritannien bereits einige deutlich weitergehende Maßnahmen getroffen wurden, von denen wir in Deutschland lernen können.
Gute Praktiken zur Bekämpfung von strukturellem Rassismus innerhalb der Polizei
Neben dieser umfassenden Reform durch die Schaffung einer neuen Aufsichtsbehörde gibt es weitere konkrete gute Praktiken in Großbritannien, die von den deutschen Polizeibehörden übernommen werden sollten. Auch wenn diese nicht flächendeckend in allen britischen Polizeibehörden gleichermaßen angewendet werden und leider oft als erstes auferlegten Sparmaßnahmen zum Opfer fallen, haben sie sich dennoch als gute Praxis bewährt und werden weiterhin von den Fachverbänden unterstützt und befürwortet. Erfahrungsberichten britischer Polizist:innen zufolge sind diese Maßnahmen insbesondere dann erfolgreich, wenn sie durch Vorgesetzte in Rhetorik und Praxis unterstützt werden.
So hat sich die Aus- und Weiterbildung von Polizeibeamt:innen durch unabhängige Trainer bewährt und konnte in zahlreichen Fällen ein konkretes Problembewusstsein schaffen und den einzelnen Beamt:innen alternative Handlungsoptionen aufzeigen. Exit Interviews sind darüber hinaus eine Möglichkeit verdeckten Rassismus oder ein diskriminierendes Arbeitsumfeld innerhalb kleinerer Polizeistrukturen aufzudecken. Durch Gespräche über die Ursachen und Gründe mit Polizist:innen die den Polizeidienst vollends verlassen oder in ein anderes Team wechseln, lassen sich Probleme erkennen.
Darüber hinaus hat sich in Großbritannien die Schaffung und Beteiligung der National Black Police Association (NBPA) bewährt. Als Interessengruppe für Polizeibeamt:innen ethnischer Minderheiten wurde 1994 die erste solche Vereinigung als Metropolitan Black Police Association im Großraum London gemeinsam auf Initiative dortiger Polizist:innen und der dortigen Polizeibehörde, der Metropolitan Police Service, gegründet. Durch ihre Einbeziehung in sogenannte Review-Panels innerhalb der Polizeibehörden kann die NBPA an richtungsweisenden Entscheidungen mitwirken und so die Berücksichtigung der Perspektiven und Erfahrungen von Polizeibeamt:innen, die selbst ethnischen Minderheiten angehören, sicherstellen.
Wider politische Gewalt
Im Bundestagswahlkampf muss die SPD demokratiefeindliche Tendenzen in unserer Gesellschaft und weltweit aufzeigen und jeder Wählerin und jedem Wähler klar machen, warum die freiheitliche Demokratie das höchste Gut unserer Gesellschaftsordnung ist und dass wir alles tun, um sie zu verteidigen und zu festigen.
Wir müssen den Menschen, denen die Demokratie als verzichtbares Element in ihrem Lebensumfeld erscheint, im Wahlkampf und danach folgende Botschaft nahebringen: die Demokratie hält auch hart geführte Debatten über Streitfragen aus, aber ohne die Anwendung von Gewalt und ohne die Würde von Andersdenkenden herabzusetzen. Und dass Freiheit ohne Demokratie nichts ist – wie wir aus zwei Diktaturen im letzten Jahrhundert in Deutschland aus leidvoller Erfahrung wissen.
Um darüber zu reden, müssen wir das persönliche Gespräch mit denen suchen, die in Strukturen abdriften, die unsere Demokratie verächtlich machen wollen, so schwer dieses auch im Einzelfall erscheinen mag.
Wir müssen uns einer intensiven Diskussion über die Frage stellen, wieweit reicht die Meinungsfreiheit in Internet und wo müssen Grenzüberschreitungen mit Anstiftung zur Gewalt, Rassismus und Beseitigung demokratischer Strukturen wie geahndet werden.
Begründung:
Die Ereignisse am 6. Januar dieses Jahres haben gezeigt, dass auch heute demokratische Errungenschaften weltweit keine in Stein gemeißelten, gesellschaftlichen Fortschritte sind. Deutschland hat den Kampf um seine erste Demokratie mit fürchterlichen Folgen verloren.
Viele SPD-Mitglieder haben diese dunkelste Zeit der deutschen Geschichte mit ihrem Leben bezahlen müssen, die SPD Prag, die SPD Paris und die SPD London sind heute leuchtende Beispiele, dass aus dem Asyl unserer Partei ein gemeinsames, demokratisches Europa erwachsen konnte.
Demokratie und Rechtsstaatlichkeit haben wir Sozialdemokrat:innen in Deutschland und Europa entscheidend mitgestaltet, aus den Trümmern der faschistischen Diktatur und nach der Unterdrückung von Freiheit durch die SED-Diktatur.
Jetzt erleben wir, wie wesentliche Elemente unserer Freiheit und Demokratie mit Hassparolen, Aufstachelung zur und Anwendung von Gewalt in Frage gestellt werden. Übersetzt: der Versuch, mit kriminellen Gewaltaktionen gegen Menschen und Sachen politische, religiöse oder ideologische Ziele zu erreichen. Diese Übersetzung ist die gängige Definition von Terrorismus.
Zwar haben wir meist die Anschläge vom 11. September 2001 vor Augen, wenn wir von terroristischen Anschlägen reden, aber die Morde vom Kapitol, in Halle, in Hanau und in Istha gehören in diese Kategorie. Und diejenigen, die zu diesen Morden durch ihre Hetze anstachelten und anschließend feierten und damit weitere Gewalttaten provozieren, sind genauso Terrorhelfer wie die Unterstützer islamistischer Gruppen, die Attentate aus religiösem Eifer befürworten. Wir müssen diese terroristischen Tendenzen ernst nehmen und erfolgreich bekämpfen.
Wir müssen den Menschen, die durch ihre Kommunikation im Internet mit Gleichgesinnten Behauptungen und Konstrukte für bare Münze nehmen, die in der realen Welt keinerlei Überprüfung standhalten, bzw. dort Hass und Rassismus ausleben, ernst gemeinte Gesprächsangebote machen und sie nicht mit sorgfältig abgefeiltem Politsprech aus der Gesellschaft ausschließen.
Gleichzeitig müssen wir ihnen aber auch zwei weitere Dinge ins Gedächtnis rufen:
1) Wer sich darauf einlässt, die Demokratie und ihre Institutionen gewaltsam oder mit Aufrufen zur Gewalt anzugreifen, begibt sich in verfassungsfeindliche und terroristische Gefilde. Die Mütter und Väter dieser Republik haben aus der Erfahrung der Weimarer Republik ganz bewusst entschieden, dass unsere Demokratie eine wehrhafte ist und nicht zur Disposition steht, selbst wenn ein Ex-Verfassungsschutzpräsident dieser Wehrhaftigkeit wenig Glanz verschafft hat.
2) Und es gilt, diejenigen zu entlarven, die mit ihren Aktionen und Sprüchen vor allem eines im Sinn haben, nämlich ihren ganz eigenen – oft pekuniären – Vorteil, egal was sie bei den Menschen anrichten, die sie zu ihrem Vorteil lediglich benutzen. Welch perfidem Charakter viele Menschen weltweit in den vergangenen vier Jahren aufs Wort folgten, konnten sie nach dem Sturm auf das Kapitol lernen.
– Als Trump klar wird, dass aus der Aktion nichts zu seinen Gunsten wird, distanziert er sich von denen, die er selbst vorher angestiftet und mit Liebesschwüren gesegnet hat, und fordert ihre strafrechtliche Verfolgung, kümmert sich aber intensiv um die Frage seiner eigenen strafrechtlichen Begnadigung.
– Gleichzeitig sammelt er in Erkenntnis, dass ihm seine Gläubiger mehr und mehr den Hahn abdrehen, von seinen „Gläubigen“ einen dreistelligen Millionenbetrag ein, angeblich um Rechtstreitigkeiten zu erfundenen Wahlfälschungen zu finanzieren.
– Selbst Rechnungen für Prozesse, in denen Anwälte sich für ihn zum aussätzigen Kasper gemacht haben, begleicht er nach Quellen aus seiner Umgebung nicht.
Was können wir von dieser beliebigen Charakterstudie, die genauso auch für andere Hintermänner von Hass und Lügen im Internet steht, kommunizieren: es geht immer ums Geld der anderen, es geht ihnen um blinde Gefolgschaft und wenn es eng wird, immer nur um die eigene Haut. Für solche Menschen eigenes Denken aufzugeben, lohnt nicht.
Von herausragender Bedeutung ist dabei die Kommunikation mit und unter den Mitarbeiter:innen der Sicherheitskräfte, um Zweifeln an unseren demokratischen Strukturen dort zu begegnen. Dass beim Sturm auf das Kapitol Polizist:innen und Soldat:innen mitgewirkt haben und dabei ein Kollege ermordet werden konnte, gehört zu den tragischsten Momenten, die jeder/m für die öffentliche Sicherheit verantwortlichen Mitarbeiter:in ein warnendes Beispiel sein muss.
Und denen, die sich wie die Proud Boys und QAnon offen zu terroristischen Aktionen bekennen, sagen wir sehr deutlich, dass das deutsche Strafrecht die Bildung einer terroristischen Vereinigung weltweit verfolgt. Eine Einladung nach Deutschland – von wem auch immer – kann es für Mitglieder dieser Gruppen nur direkt in die Hände der Strafverfolgungsbehörden geben.
Kaufprämie für E-Fahrräder
Zur Unterstützung der Verkehrswende in Stadt und Land beschließt die SPD, den Kauf von E-Fahrrädern für Bürger:innen mit geringem Einkommen durch Auszahlung einer Prämie zu unterstützen.
Begründung:
Die Coronakrise hat eine ohnehin stattfindende Verkehrswende hin zu sanfteren Mobilitätsformen (öffentlicher Personennahverkehr, Fahrrad, Fußgänger) vielerorts in Europa beschleunigt. Zahlreiche Großstädte haben mit Ende des ersten Lockdowns neue (provisorische) Fahrradwege eingerichtet, Straßen für den PKW-Verkehr gesperrt, oder anderweitig Anreize geschaffen, z.B. durch die finanzielle Förderung von Fahrradreparaturen.
E-Fahrräder können bei der Mobilitätswende eine wichtige Rolle spielen: Sie erweitern signifikant den Radius für den alltäglichen Gebrauch und machen das Fahrrad als Transportmittel so auch auf längeren (oder steigungsintensiven) Strecken zu einer echten Alternative zum Auto oder dem öffentlichen Personennahverkehr.
E-Fahrräder sind jedoch deutlich teurer als normale Fahrräder und somit für viele gesellschaftliche Gruppen nicht erschwinglich. Mehrere europäische Länder unterstützen daher Bürger*innen beim Kauf eines E-Fahrrads. Italien bezuschusst zum Beispiel bis zu 60% des Kaufpreises, der französische Staat fördert den Kauf mit bis zu 200€ für Bürger:innen mit geringem Einkommen. Einige französische Regionen bieten dazu komplementäre und meist einkommensunabhängige Zuschüsse.
Deutschland sollte die durch Corona verstärkte Trendwende ebenfalls nutzen, um möglichst viele Bürger:innen beim Umstieg auf nachhaltige und gesunde Mobilität zu unterstützen. Einige Kommunen wie München oder Tübingen fördern den Kauf von E- Fahrrädern bereits, z.B. mittels einer Abwrackprämie beim Tausch eines Mofas gegen ein E-Fahrrad. Der Bund sollte ähnlich wie in Frankreich, komplementär zu Förderprogrammen auf kommunaler und Landesebene, eine Prämie spezifisch für Einkommensschwache bereitstellen.
Eine Prämie erreicht Menschen direkt an und kommt insbesondere Rentner:innen, Studierende und Auszubildende, aber auch allen anderen Gesellschaftsgruppen mit geringem Einkommen, zu Gute.
Eine solche Förderung entspricht dem Anliegen einer just transition („gerechte Transformation“), die die soziale Frage beim ökologischen Umbau ins Zentrum stellt. In diesem Sinne sollte das ordnungspolitische Marktargument („Der Markt für E-Fahrräder boomt ohnehin“) nicht vorrangig sein.
Soldat:innen im Einsatz umfassend schützen!
Wir fordern den umfassenden Schutz der Gesundheit und des Lebens unserer Bundeswehrsoldat:innen im Einsatz durch die Ermöglichung der Anschaffung und des Gebrauchs bewaffneter unbemannter Luftfahrzeuge (ugs. Drohnen) zu gewährleisten.
Die Verwendung solcher Waffensysteme muss dabei einer strengen und Normen- geleiten Doktrin unterliegen, die ihren Einsatz auf wenige klare Szenarien reduziert. Dazu zählen konkret:
- Bewaffnete unbemannte Luftfahrzeuge sind ausschließlich defensiv, also zum Begleitschutz und zum Rückzugsschutz deutscher oder verbündeter Soldat:innen, sowie von Zivilist:innen einzusetzen. Offensive Einsatzszenarien und im extremsten Fall extralegale Tötungen sind unter keinen Umständen möglich und werden grundsätzlich abgelehnt. Die grundsätzliche Möglichkeit des Gebrauchs bewaffneter Drohnen in einem Einsatzgebiet muss dabei explizit im Bundeswehr-Einsatzmandat durch den Deutschen Bundestag vorab genehmigt werden.
- Entscheidungen über den Einsatz dieser bewaffneten unbemannten Luftfahrzeuge als auch über den Gebrauch ihrer Waffensysteme im Einsatz sind ausschließlich von einem dafür ausgebildeten Menschen vorzunehmen. Unter keinen Umständen dürfen solche Entscheidungen automatisiert werden, autonome Waffensysteme lehnen wir grundsätzlich ab. Das operative Hauptquartier, aus dem diese Entscheidungen heraus getroffen werden, muss sich dabei im Land des Einsatzes befinden.
- Für die Gewährleistung der psychischen Gesundheit der bedienenden Soldat:innen solcher bewaffneter unbemannter Luftfahrzeuge ist es dabei unabdinglich, dass umfassend ausgebildetes Betreuungspersonal für ihre Fürsorge und Betreuung auch im und nach dem Einsatz bereitsteht, da sich ähnliche Waffensysteme für die eigenen Soldat:innen anderer Staaten als besonders psychisch belastend herausgestellt haben.
- Um die parlamentarische und öffentliche Kontrolle des Einsatzes solcher Waffensysteme bestmöglich sicherzustellen und den berechtigten Sorgen bei der Anschaffung und Verwendung solcher Systeme entgegenzutreten, sind das verbindliche Einsatzkonzept als auch die konkreten Einsatzberichte dem Verteidigungsausschuss des Deutschen Bundestages fortwährend mitzuteilen, als auch unter Berücksichtigung relevanter Geheimhaltungsregeln soweit möglich der allgemeinen Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Das aktuelle verbindliche Einsatzkonzept muss dabei zwingend veröffentlicht werden.
- Da wir vollautonome und robotisierte Waffensysteme, die sich dem Konzept der „Meaningful Human Control“ (dt.: bedeutungsvolle menschlichen Kontrolle) entziehen, grundsätzlich ablehnen, begrüßen wir das unermüdliche Engagement von Bundesaußenminister Heiko Maas für die internationale Regulierung solcher Waffensysteme. Eine Anschaffung bewaffneter Drohnen macht es besonders notwendig, dieses Engagement intensiviert fortzuführen. Daher sind zusätzliche Stellen im Auswärtigen Amt und dem Bundesministerium der Verteidigung für die Bereiche der Rüstungskontrolle automatisierter Waffen sowie den ihrer internationalen Regulierung zu schaffen.
- Um den besonderen Risiken bewaffneter Drohnen besser entgegenwirken zu können, sind durch das Bundesministerium der Verteidigung mindestens zwei Studien in Auftrag zu geben und weitere zu fördern. Erstere soll dabei die Folgen für die psychische Gesundheit der die Drohnen bedienenden Soldat:innen insbesondere durch posttraumatische Belastungsstörungen erforschen. Zweitere soll ferner das sogenannte Joystick-Phänomen, also die mögliche Enthemmung von Soldat:innen beim Gebrauch bewaffneter Drohnen erforschen. Ziel beider Studien soll es sein, konkrete Ansätze zu identifizieren, wie diesen Effekten begegnet werden kann. Die Ergebnisse dieser Studien sind unbedingt bei der fortlaufenden Weiterentwicklung des verbindlichen Einsatzkonzeptes zu berücksichtigen.
Begründung:
Trotz unserer friedenspolitischen Bemühungen wird es auch zukünftig Auslandseinsätze der Bundeswehr geben Aus der deutschen Geschichte heraus ergibt sich eine besondere Verantwortung für die deutsche Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik. Die SPD setzt sich daher als friedenspolitische Akteur ein, denn von deutschem Boden soll nie wieder Krieg ausgehen. Die SPD bekennt sich zum Primat der Diplomatie.
Gleichwohl besteht unter bestimmten klar definierten Umständen und ausschließlich im Rahmen unserer multilateralen Partnerschaften die Notwendigkeit, internationale Militäreinsätze der Vereinten Nationen, der Europäischen Union und der NATO auch mit Soldat:innen der Bundeswehr zu unterstützen.
Deutschland trägt eine sicherheitspolitische Verantwortung
Aus der deutschen Doktrin von “Nie wieder Krieg, nie wieder Auschwitz!” ergibt sich ein klarer friedenspolitischer Auftrag, der jedoch die Verwendung militärischer Gewalt als letztes Mittel zur Verhinderung und Bekämpfung von Verbrechen gegen die Menschlichkeit zulässt. Aus seiner historischen Erfahrung heraus kann Deutschland nicht wegschauen, wenn unheimliches Leid geschieht dass sich durch ein gemeinsames Eingreifen der Weltgemeinschaft verhindern ließe.
Die Bundesrepublik profitiert heute von ihren sicherheitspolitischen Partnerschaften und Bündnissen enorm. Als Nutzniesser dieser Allianzen dürfen wir gefährliche aber notwendige Einsätze jedoch nicht ausschließlich unseren Partnern überlassen. Zur sicherheitspolitischen Verantwortung Deutschlands gehört es dabei daher auch, sich an humanitären Engagement gegen terroristische und verbrecherische Organisationen auch militärisch zu beteiligen. Dies geschieht ausschließlich im Rahmen unserer bestehenden multilateralen Partnerschaften.
Unsere Soldat:innen verdienen umfassenden Schutz
Aus diesem Grund befinden sich deutsche Soldat:innen heute in Auslandseinsätzen der Bundeswehr. Der Bundesrepublik obliegt dabei eine besondere Fürsorgepflicht die Gesundheit und das Leben dieser Bürger:innen in Uniform zu schützen. Dies bedeutet konkret unsere Soldat:innen umfassend und modern auszustatten, um das Risiko für Leib und Leben zu minimieren.
Andere Staaten setzen hier verstärkt auf den Einsatz sogenannter bewaffneter Drohnen. Im Gegensatz zu bemannten Luftfahrzeugen können diese oft stundenlang über einem Gebiet schweben oder Soldat:innen begleiten. Damit eignen sie sich besonders, um Soldat:innen im Falle eines Angriffs schnellstmöglich Luftunterstützung bereitzustellen, sie zu verteidigen und einen Rückzug zu ermöglichen, wie dies durch herkömmliche bemannte Luftfahrzeuge nicht möglich wäre. Auf Grund dieser Vorteile setzt die Bundeswehr bereits heute unbewaffnete Drohnen für die Aufklärung ein. Die Fürsorgepflicht für unsere Soldat:innen erfordert es jedoch, dass wir einen vergleichbaren Schutz auch ihnen durch bewaffnete Drohnen ermöglichen.
Den exzessiven Einsatz offensiver Kampfdrohnen sehen wir mit großer Sorge und lehnen ihn ab
Gleichwohl wissen wir, dass es berechtigte Sorgen gegen die Anschaffung und Verwendung von bewaffneten Drohnen bei der Bundeswehr gibt. Jedes zur Verteidigung angedachte Waffensystem könnte theoretisch auch offensiv genutzt werden. Die exzessiven Drohnenkriege der Vereinigten Staaten von Amerika, sowie die Durchführung extralegaler Tötungen durch Drohnen auch von US-Amerikanischen Geheimdiensten sind ein trauriges Negativbeispiel dafür, dass auch ein westlicher Staat der unseren Wertvorstellungen sehr nahesteht, solche Waffensysteme exzessiv missbrauchen kann. Wir verurteilen dies zutiefst.
Der Bergkarabachkonflikt zwischen Armenien und Aserbaidschan zeigt ebenfalls sehr eindrücklich, wie der Einsatz bewaffneter Drohnen als offensive Waffe einen militärischen Konflikt weiter eskalieren und verschärfen kann. Darauf schauen wir mit großer Sorge. Folglich kann es in niemandes Interesse liegen, dass die Bundeswehr ähnliche Waffensysteme für den offensiven Einsatz erhält. Im Gegenteil muss es internationales Bestreben der Bundesrepublik sein, die Verwendung zunehmend autonomer und entmenschlichter Waffensysteme zu beschränken.
Ein Normen-gebundener Einsatz bewaffneter Drohnen für defensive Zwecke ist möglich
Gleichwohl denken wir, dass ein Gebrauch bewaffneter Drohnen für ausschließlich defensive Zwecke möglich ist, wenn wir ihren Einsatz klaren und strengen Normen unterwerfen und umfassend kontrollieren. Hierzu lassen sich deutliche und am Völkerrecht orientierte Regeln formulieren. So sollen bewaffnete Drohnen nur für defensive Zwecke eingesetzt werden dürfen, wobei sie von einem Menschen aus einem operativen Hauptquartier heraus gesteuert werden, das sich im Einsatzgebiet befindet.
Da der einzige Zweck der Anschaffung bewaffneter Drohnen der Schutz des Lebens und der Gesundheit unserer Soldat:innen ist, muss auch besonders berücksichtigt werden, dass sich der Gebrauch von bewaffneten Drohnen für die bedienenden Soldat:innen als besonders psyschich belastend erweist. Folglich erfordert der Einsatz bewaffneter Drohnen zum Schutz deutscher Soldat:innen, dass eine umfassende psychische Betreuung für die Bedienenden im und nach dem Einsatz bereitsteht.
Der besonders heikle Charakter bewaffneter Drohnen erfordert dass wir ihren Gebrauch umfassend kontrollieren. Die Festlegung strenger Normen-geleiteter Regeln erfordert dass die Umsetzung derselben ebenso streng sichergestellt wird. Daher fordern wir dass die allgemeinen Einsatzregeln als auch die Berichte über tatsächliche Einsätze von bewaffneten Drohnen dem Verteidigungsausschuss des Deutschen Bundestages vollumfänglich und fortwährend mitgeteilt werden und dass diese darüber hinaus in größtmöglichem Umfang und in größtmöglicher zeitlicher Nähe veröffentlicht werden. Wir denken, dass ein Normen-gebundener und vertretbarer Einsatz bewaffneter Drohnen für rein defensive Zwecke unter diesen Umständen möglich ist.
https://www.vorwaerts.de/artikel/spd-ausland-bundestagswahl-plant